Tauschlogikfrei zur postkapitalistischen Gesellschaft?

Ein hehres Ziel: Ein gutes Leben für alle und nicht nur für die, die es sich leisten können. Doch wie erreichen wir dieses Ziel und ist es überhaupt mit dem alles bestimmenden Marktmechanismen des Kapitalismus vereinbar?

Ein Bericht von Mario Fricke

Ökonomin und Historikerin Friederike Habermann ©Rika Schäding
Ökonomin und Historikerin Friederike Habermann

Wachstum, darauf ist unsere Wirtschaft ausgelegt. Wächst die Wirtschaft, geht es ihr gut und geht es der Wirtschaft gut, geht es auch der Bevölkerung gut. Grob vereinfacht wird es genauso im Wirtschaftsstudium vermittelt.

Dieser These stellt sich Friederike Habermann, eine Ökonomin und Historikerin aus Deutschland, entgegen und will beweisen, dass der Kapitalismus nur eine Phase in der Geschichte der Menschheit ist, die es zu überwinden gilt. Ihre These ist, dass ein auf immer mehr Wachstum basierendes Wirtschaftssystem sich auf Dauer nicht mit einer limitierten Menge Rohstoffen, die auf der Erde zu finden sind, vereinbaren lässt. Das quantitative Wachstum, das behauptet, dass durch immer mehr Innovation in der Technik und Wissenschaft ein klimafreundliches und nachhaltiges Wachstum möglich ist, lehnt sie ab. Denn es entstehe ein Rebound-Effekt, nach dem Verbraucher, die weniger Geld für umweltfreundliche Produkte ausgeben müssen, das gesparte Geld in andere oder schlicht mehr Produkte investieren. Daher komme es letztlich zu keinerlei Einsparungen bei Ressourcen oder Geld. Deshalb sei ein Wandel zu einer Postwachstumsgesellschaft unumgänglich.

“UmCare” zum Miteinander

Ein neues Wirtschaftssystem zu erschaffen, ist nicht nur eine Frage der Theorie, sondern das geschickte Nutzen der bereits in der Gesellschaft und Wirtschaft vorhandenen Mechanismen. Im Zentrum des neuen Systems steht der Begriff des „Commons“. In diesem wird der Begriff Eigentum durch Besitz ersetzt, da Eigentum immer auf Ausschluss basiert. Es zählt nur noch, wer etwas tatsächlich braucht und gebraucht und kein Recht des Ausschlusses anderer oder zum Verkauf. So würde das Konzept der Miete der Vergangenheit angehören.

Die neue Idee ist: beitragen statt tauschen. Egal, ob Fähigkeiten oder Wissen. Zum Beispiel das Eröffnen einer Werkstatt, in der man sich gegenseitig beibringt, Elektrogegenstände zu reparieren. Das alles erfordert ein hohes Maß an Organisation, doch es dient der Überzeugung, das jeder Mensch Bereiche hat, in denen er anderen helfen kann und in denen er gerne tätig ist und genauso welche in denen er Hilfe von anderen benötigt. Wichtig ist auch die Motivation der Beteiligten. So sollen alle Tätigkeiten aus Lust oder aus Einsicht der Notwendigkeit ausgeübt werden. Hierarchie und Zwang haben keine Platz in der neuen Ordnung. 

Der Mensch, der Egoist?

Dass der Kapitalismus ein weltumspannendes Wirtschaftssystem werden konnte, wird oft allzu leicht der Natur des Menschen zugeschrieben. Der Mensch lebt in Konkurrenz zu allen anderen Menschen und sogar zu der Natur. Nur wer sich selbst besser als die anderen verkaufen kann, bekommt den besten Job, nur wer sich selbst in das beste Licht stellt, bekommt die besten Konditionen für seinen Arbeitsvertrag und um diese Ziele zu erreichen, muss ich die anderen in meinem Umfeld abwerten und stehe in ständiger Konkurrenz zu allen anderen.

Wenn dieser Umstand wirklich naturgegeben ist, wäre eine Wende in der Wirtschaft unmöglich. Aber schon Nietzsche und Marx stellten fest, dass der Mensch immer das Ergebnis seiner ihn umgebenden Faktoren ist. So könnte eine Änderung der wirtschaftlichen Umstände auch zu einer positiven Änderung im menschlichen Miteinander führen.

Zu diesem Thema gibt es einen weiteren interessanten Blogbeitrag: Sharing is Caring - Teilen ist unsere Zukunft

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