Wachstum als Chance – Bodenfruchtbarkeit als neuer Weg zur Klimaneutralität?

Die Klima- und die Artenkrise zusammen denken und angehen. Genau dies fordert der Green New Deal, welcher eine Wende der bisherigen Landwirtschaft forciert. Doch wie kann dies gelingen und welche Rolle spielt die Bodenqualität dabei?

Ein Bericht von Lars Schlotfeldt.

Die Wissenschaftlerin Anita Idel setzt sich für eine ökologische Wende ein. ©Rika Schäding
Die Wissenschaftlerin Anita Idel setzt sich für eine ökologische Wende ein.

Nachhaltiger Wohlstand durch Wachstum? So etwas funktioniert. Zumindest in der Landwirtschaft. In ihrem Vortrag spricht die Autorin und Tierärztin Anita Idel über das Potenzial, das eine nachhaltige Landwirtschaft in Hinblick auf die Klima- und Artenkrise mit sich bringt. Besonders der von der EU angestrebte Green New Deal macht ihr dabei Hoffnung.

Viel ungenutztes Potenzial in den Flächen

„Die Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist die Ernährungssicherung“, so die 64-Jährige. Doch diese sei gefährdet, sollte sie weiterhin auf Monokulturen ausgerichtet sein.

Dieser Umstand wird durch Prämien begünstigt, die von der allgemeinen Agrarpolitik (AGP) je nach Größe der Fläche auf die Betriebe verteilt werden. So kommt es, dass sich 80 Prozent der Betriebe 20 Prozent der Gelder, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, teilen müssen. Dies begünstigt die aktuelle Ausrichtung der Landwirtschaft, die nach dem Prinzip wachsen oder weichen funktioniert. Bei der Betrachtung der Verteilung der Proteine für Nutztiere kommt Idel zu dem Schluss: „Europa hängt am Tropf“. Denn 70 Prozent dieser Proteine werden aus dem Ausland importiert. Dabei gebe es genügend Möglichkeiten, das zu verändern.

In Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung ist die Bodenqualität die entscheidende Basisressource. Hierbei zeigt die weltweite Verteilung, dass 70 Prozent der genutzten Flächen aus Grasland und der Rest aus Ackerland bestehen. Doch in Deutschland ergibt sich ein umgekehrtes Bild. Hierzulande bestehen circa 28 Prozent aus Graslandfläche. Mit Blick auf die Geschichte der Landwirtschaft meint Idel, die landwirtschaftliche Ausrichtung sollte wieder verstärkt auf Erfahrungswissen setzen.

Wie entwickelt sich Bodenfruchtbarkeit?

Bevor die Menschen sesshaft wurden, existierte eine Ko-Evolution von Weideland und Weidetier. Denn durch das Abbeißen der Gräser wird ein natürlicher Wachstumszyklus angestoßen, welcher der Bildung von Feinwurzeln zu Gute kommt. Diese seien laut Idel eine entscheidende Grundlage, um die Bodenqualität wieder zu verbessern. Daher brauche es auch in Zukunft wieder eine Landwirtschaft, die verstärkt auf ein regeneratives Wachstum ausgelegt ist.

Doch viele Studien der vergangenen Jahrzehnte trugen bezüglich der Wahrnehmung von Landwirtschaft zu falschen Schlussfolgerungen bei, wonach Kraftfutter im Gegensatz zum Gras zu einer Verringerung der Methanwerte beitragen kann. Diese Studien betrachteten jedoch allesamt nicht das Gesamtbild, moniert Idel. So werde weder auf den Mehrwert des Grases bezüglich der verbesserten Bodenqualität eingegangen noch die Emissionen berücksichtigt, welche durch die Beschaffung des Kraftfutters zusätzlich anfallen.

Welches Potenzial hat der Green New Deal?

Das Grasland birgt ein verborgenes, nicht immer sichtbares Potenzial. Denn Steppen sind ein entscheidender Kohlenstoffspeicher, die den CO2-Anteil in der Atmosphäre reduzieren können. Daher gelte es vermehrt in den Ausbau von Grünen Flächen zu investieren, so Idel.

Ein entscheidender Schritt dahin wurde in der Europäischen Union durch den Green New Deal unternommen. Dieser wurde im vergangenen Jahr von der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgestellt und soll dazu beitragen, dass Europa bis 2050 klimaneutral ist. Ein besonderer Aspekt dieses Konzeptes: Es kombiniert die Klimakrise mit dem Artenschwund im Gegensatz zur bisherigen Ausrichtung der GAP, welche bislang eine Weiterführung der bisherigen Art Landwirtschaft zu betreiben verfolgt hat.

Der Green New Deal richtet sich gegen Monokulturen und auf eine Verstärkung von Vielfalt in der Landwirtschaft. Um dies bewerkstelligen zu können, bräuchte es laut Idel ein Umdenken des „kranken Naturbegriffs“, der die Landschaft in maximaler Entfernung zur Wildnis begreift. Vielmehr gelte es, eine Rückkehr zur Wildnis und Natürlichkeit zu gewährleisten. Denn in einer solchen Wende steckt ein riesiges Potenzial, mit der man dem bisherigen Klimawandel durch das eigene Handeln entgegenwirken könnte. Eine Umsetzung dieser Wende wäre möglich, insofern von der Politik mehr Gelder zur Verfügung gestellt werden.

Zu diesem Thema gibt es einen weiteren interessanten Blogbeitrag: "Die Rettung der Biodiversität"

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