Can you “Trust your food”?

Ein Feature von Tita Vollstedt

Weißt du wie viele Kilometer dein Gemüse unterwegs ist? Wer es unter welchen Bedingungen anbaut? Nein? Das Start-up „Trust your food“ klärt nicht nur auf, warum wir unsere Ernährung nachhaltiger gestalten müssen, sondern will auch eine Lösung bieten.

 Logo Start-Up „Trust your food” ©Trust your food
Logo Start-Up „Trust your food”

Dienstagnachmittag. Die ganze WG sitzt am Küchentisch und starrt erwartungsvoll auf den Laptop. Bing! Da ist sie, die erwartete Mail. Endlich haben wir Gewissheit: Was wird diese Woche auf dem Speiseplan stehen?! 

 

Regional? - „Drei Wochen unterwegs!“

Einem Viertel aller Deutschen ist laut Studie der „Zeit“ eine frische, nachhaltige Ernährung wichtig. Schaut man in den städtischen Supermarkt, ist zumindest bei nachhaltigeren Lebensmitteln noch Luft nach oben.

Laut Anja, einer der Gründer:innen des Lüneburger Start-up-Unternehmens „Trust your food“, kann „regionale Bio-Paprika bis zu drei Wochen unterwegs sein“ bevor sie im Regal landet. Das Problem: Es gibt keine gesetzliche Vorgabe, was als regional bezeichnet werden darf. Allgemein herrsche in deutschen Supermärkten zu wenig Transparenz, findet auch Mitgründer Markus. Am Ort der Entscheidung zähle für die meisten doch der Preis, weil die Konsequenzen für die Gesellschaft hier nicht erkennbar seien. 

Für Anja und Markus steht fest, „egal, ob ethisch oder ökologisch, es gibt keine guten Gründe“ für die Vermarktung des konventionellen Gemüses, „aber die Wirtschaft sitzt am längeren Hebel“. Das zeige sich bei der Subvention der konventionellen Landwirtschaft. „Je größer ich als Landwirt bin, desto mehr Subvention kriege ich“, kritisiert Markus. 

 

„Manche Sachen gehören für mich verboten“ 

Viele Landwirt:innen können es sich ohne wirtschaftliche Unterstützung also gar nicht leisten, ihre Betriebe nachhaltig umzugestalten. Dies sei für die Zukunft aber dringend notwendig, schließlich sei die Landwirtschaft nachweislich eine der Hauptverantwortlichen für die hohen Emissionen. Allein die Lebensmittelverschwendung ist für acht Prozent der Emissionen verantwortlich. Eine Studie der Verbraucherzentrale zeigt außerdem, dass 60 Prozent des vermeidbaren Lebensmittelabfalls bereits auf dem Weg in den Verkauf entstehen.

Vor allem in Bezug auf Billiggemüse, beispielsweise aus Spanien, wo Arbeiter:innen in vielen Betrieben wie Sklav:innen ausgebeutet würden, sei ein ethisches Hinterfragen nötig. „Manche Sachen gehören für mich verboten“, ärgert sich Anja, „Warum ist das in der EU erlaubt?“

„Wenn man sich anguckt, welche langfristigen Kosten gesamtgesellschaftlich auf ,Billigkrams´ fallen“, wäre eine nachhaltige Landwirtschaft tatsächlich deutlich günstiger. Es gebe dazu Studien ergänzt Markus, aber politisch würden die falschen Anreize geschaffen werden. Nötig sei ein „Umbau von Fördermaßnahmen, hin zu ökologischem Landbau und zusätzlich ein anderes Konsumentenverhalten“, meint auch Anja. 

 

„Eine Lösung bieten, statt nur mit gesenktem Haupt die Probleme der Welt mitteilen“

„Wir sind jetzt in einer Situation, wo die Traktoren der konventionellen Landwirtschaft mit Volldampf auf eine Klippe zufahren. Immer mit dem Gedanken: geht schon weiter, geht schon weiter“, aber irgendwann gehe das nicht mehr. In Anbetracht der bereits auftretenden Probleme, seien es die wachsende Wasserknappheit oder die unfaire Bezahlung der Landwirt:innen, wäre deutlich, dass das bestehende System zukünftig  nicht mehr funktioniere. 

Die Unsicherheit bezüglich der Versorgung unserer Gesellschaft mit frischen Lebensmitteln wird immer größer. Es bestehe gesamtgesellschaftlicher Handlungsbedarf, um etwas an den unhaltbaren Umständen rund um die Produktion unseres Gemüses zu verändern. 

Das Team von „Trust your food“ will hier „eine Lösung bieten, statt nur mit gesenktem Haupt die Probleme der Welt mitteilen“. Vielen Menschen seien diese schon durchaus bewusst, es mangele jedoch an einer Alternative.

Die Vorteile von „Trust your food“ ©Trust your food
Die Vorteile von „Trust your food“


„100 Prozent Bio, regional und unverpackt“ 

Was als Praxismodell im Rahmen eines Seminars der Leuphana entstand, ist seit Juni 2020 ein reales Business. Wöchentlich bekommen Abonnent:innen des Start-Ups Gemüse nach Hause geliefert. Dabei können sie aus vier Erntegrößen wählen und somit je nach Verbrauch die passende Gemüsemenge erwerben. 

Das Abonnement verspricht „die ganze Gemüse-Vielfalt von Bio-Bauern aus deiner Region – bis zu dir nach Hause geliefert. Du kannst darauf vertrauen, dass dein Gemüse 100% Bio (Demeter- oder Bioland-zertifiziert), 100% regional (nicht weiter als 70 km) und 100% unverpackt zu dir kommt. Wir kaufen keine Ware vom Großmarkt dazu.“ 

Es sei schwer, ein ähnliches Konzept zu finden, das so viele dieser Kriterien vereinen könne, wirbt das Unternehmen. Bei vielen Konkurrent:innen werde häufig im Großmarkt dazu gekauft, erklärt Markus. „Das befeuert dann genau das System, das wir aushebeln wollen“. Ihr Konzept einer solidarischen Landwirtschaft führe zu einem geringeren Risiko für die Landwirt:innen und Planungssicherheit. Somit können diese ihre Flächen auf nachhaltige Art und Weise gewinnbringend bewirtschaften. „Wenn alle so umstellen würden, braucht es auch einfach weniger Fläche.“ 

 

„Wir karren keine Ware quer durch die Republik“

Ist dieses Konzept nur in ländlichen Regionen denkbar und keine Lösung für nachhaltig denkende Städte? Nein, langfristig soll es „Trust your food“ nicht nur im Lüneburger Umland geben: „Unser Konzept ist auch andernorts anwendbar“, Hamburg befinde sich in Planung. 

„Wir karren keine Ware quer durch die Republik“, macht Markus deutlich. Ziel sei es, in anderen Städten ebenfalls „lokal-regionale Landwirte zusammenzusuchen, Kunden zu finden und Logistik aufzubauen“. Laut einer Studie der „Kühne Logistic University“ ist es möglich sogar 100 Prozent der Deutschen mit regionalen Produkten zu versorgen. Es müsse Ziel sein, dies auf digitale, effiziente Art und Weise einer möglichst breiten Bevölkerung zugänglich zu machen, sind die Gründer:innen überzeugt.

Neben dem Wandel des Konsument:innenverhaltens sei hier vor allem ein politisches Programm dringend notwendig: „Uns ist klar, dass das für einen Geringverdiener noch zu teuer ist, das muss aber auf politischer Ebene gelöst werden.“ 

 

Bing! 

Laut Mail erhalten wir diese Woche unter anderem Mangold. Spannend, den haben wir noch nie zubereitet … Gelingt der Wandel, könnte vielleicht bald auch die breite Bevölkerung auf eine Mail dieser Art warten und ihren Beitrag zur Zukunft leisten.