Die Sache mit dem Internet, der Corona-Krise und dem Studium

Ein Feature von Pia-La Toya Monetha

Die digitale Lehre raubt Kraft, Nerven und Freude. Viele Studierende treffen auf große Probleme während der aktuellen Krise und auf Ungerechtigkeiten. Wie gehen sie damit um?

 

Niels Beier: Verzweiflung im digitalen Semester während der Corona Pandemie ©Pia-La Toya Monetha
Niels Beier: Verzweiflung im digitalen Semester während der Corona Pandemie

Punkt 8 Uhr, der Wecker klingelt. Noch eben schnell einen Kaffee vor der Vorlesung, die in 15 Minuten beginnt. Sie findet digital statt - wie auch sonst in der aktuellen Situation. Schnell aus dem Bett huschen und in die Jogginghose schlüpfen. 8.10 Uhr mache ich den Rechner an. Noch fünf Minuten, bis die Vorlesung beginnt. Ich liege gut in der Zeit, denke ich mir, während ich genüsslich an meinem viel zu heißen Kaffee schlürfe. Dann passiert es wieder. Als ich mich gerade eingeloggt habe und der Prof die Agenda besprechen möchte, ploppt es auf: „Ihre Internetverbindung ist instabil“. Gerade jetzt! Heute sollte eine Probeklausur durchgeführt und alles Wichtige für die Klausur besprochen werden. Bei so einem Start in den Tag hilft nicht einmal mehr der Kaffee.

Allein vor dem Laptop am Schreibtisch, ohne großen Kontakt zu den Kommiliton:innen. Studieren macht in der aktuellen Situation nicht unbedingt sonderlich viel Spaß. Die Hörsäle bleiben leer und Zoom ist die neue virtuelle Studienform. Die Corona-Krise hat viele Probleme mit sich gebracht oder offengelegt. Nicht nur die anstrengenden Online-Vorlesungen, sondern auch die technischen Defizite beim Internetzugang. 

Doch wie geht es Studierenden damit und auf was für Probleme stoßen sie?

Ein digitaler Austausch ist zwar grundsätzlich möglich, aber letztendlich versauert jeder vor seinem Rechner. Die Nerven werden strapaziert und man fühlt sich isoliert. Das denkt auch Marina Mikhaylova. Sie studiert Lehramt an der Leuphana Universität. Ihr fehlt das normale, aktive Campusleben und der Austausch mit den Kommiliton:innen. Auch das Lernen in Lerngruppen für die Prüfungsphase liegt ihr besonders am Herzen. Es fällt ihr schwer, sich zu motivieren und allein für die anstehenden Prüfungen zu lernen. Wie sie selbst sagt, hat sie jedoch noch nie darüber nachgedacht, ein Modul nicht zu absolvieren, auch wenn Mikhaylova findet, dass die praktischen Übungen in Fächern wie Kunst, Biologie oder Musik zu kurz kommen: „Wer Biologie oder Kunst studiert, muss diese Fächer im wahrsten Sinne des Wortes begreifen - erst recht, wenn man sie den nachkommenden Generationen glaubwürdig vermitteln möchte.” 

Große Probleme mit dem Internet habe Mikhaylova nicht. Kleine, aber nervige Aussetzer seien jedoch Alltag. Manchmal könne man sie nicht gut verstehen oder es hakt für einige Sekunden. Sie ist froh, keine großen Internetprobleme zu haben, besonders in Hinblick auf die bevorstehende Prüfungsphase. Auch wenn es sie nicht so stark betrifft, denkt sie an Studierende, die es nicht so gut haben wie sie.

Nur leere Worte. Der Zwiespalt ist deutlich zu erkennen.

Die Bundesregierung versprach bereits 2014, dass alle Bürger:innen ab 2018 einen Zugang zu einer Internetgeschwindigkeit von mindestens 50 Mbits pro Sekunde erhalten. Doch gerade in diesen Zeiten wird klar: Die Realität sieht ganz anders aus und es herrschen noch große Defizite, was eine ausreichende Internetgeschwindigkeit angeht. Für Menschen auf dem Land ist es noch schwieriger. DSL ist vielerorts gar nicht verfügbar oder nur mit sehr geringer Geschwindigkeit. Die Möglichkeit von Internet via Kabel steht aber auch nicht flächendeckend zur Verfügung. 

Wie wird es in Zukunft weitergehen?

Die Frage, wann die digitale Lehre enden wird, ist schwer zu beantworten. Mikhaylova wünscht sich für die Zukunft, dass die Probleme der Studierenden mehr Beachtung finden. Die oft zwingend erforderliche Teilnahme an Live-Zoom-Sitzungen findet sie unfair. Diese sind zum einen ein Nachteil für Studierende mit Internetproblemen. Zum anderen stellen die Live-Sitzungen für Personen, die aufgrund der Krise ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, eine Belastung dar. Als Wunsch nennt Mikhaylova zeitunabhängige, von den Dozent:innen aufgezeichnete Vorlesungen und Seminare, sodass sich die Studierenden diese angucken und anhören können, wann sie es wollen oder können: „Live-Sitzungen bieten einen Mehrwert und sind sehr wichtig für die Herstellung der Interaktivität zwischen den Dozierenden und den Studierenden. So hat man wenigstens ein bisschen das Gefühl, dass man kein Fernstudium absolviert. Angesichts der technischen und persönlichen Herausforderungen, die die Pandemie mit sich bringt, wünsche ich mir jedoch mehr Flexibilität von Seiten der Uni, was den Zugang zu den für das Studium und die Prüfungsleistung relevanten Inhalten angeht.”

Die aktive Teilnahme an Live-Sitzungen ist schwer bei einer instabilen Internetverbindung. Mitschreiben während der Vorlesung wird zum Ratespiel „Was könnte der Prof gerade gesagt haben?“. Daher fordert Mikhaylova Folien, die selbsterklärend sind. Sie hat selbst die Erfahrung gemacht mit Folien konfrontiert zu sein, auf denen größtenteils nur Bilder oder zusammenhanglose Texte stehen. Ohne eine Mitschrift seien die Folien kaum zu verstehen, sagt sie.

Die digitale Lehre ist nicht perfekt, doch Mikhaylova lobt die Leuphana: „Die Uni wartet mit einer guten digitalen Infrastruktur auf; es gibt verschiedene E-Learning-Plattformen, zwischen denen je nach Modul und Zweck variiert werden kann. Die Lehrenden verfügen über hohe digitale Kompetenz und geben sich große Mühe, in dieser auch für sie nicht einfachen Situation und unter erschwerten Bedingungen die Lehrinhalte dennoch so effektiv, abwechslungsreich und interessant wie möglich zu vermitteln. Das weiß ich zu schätzen.” Mikhaylova ist froh, ihr Studium fortführen zu können, auch wenn dies unter ungewöhnlichen und eingeschränkten Möglichkeiten geschieht.