„Man kann nicht gut sein, man kann nur besser sein“

Ein Bericht von Ulla Mußler

Februar 2020, überfordert und überrascht stehen die Gewinner des Salzkristalls auf der Bühne des Zentralgebäudes. Die Jury konnten sie überzeugen, aber wie steht es ein Jahr danach um ihre Idee?

 

(v.l.) Leon Bister, Tim Hoffmann, Maya Johanna Ollwig, Sascha Majewsky und Dominik Lalka nach der Verleihung des Salzkristalls ©Privates Foto
(v.l.) Leon Bister, Tim Hoffmann, Maya Johanna Ollwig, Sascha Majewsky und Dominik Lalka nach der Verleihung des Salzkristalls

Du steckst im „Bad Place“ fest. Auch wenn deine Entscheidung scheinbar moralisch richtig und nachhaltig war, übersiehst du oft die vielen schädlichen Auswirkungen, die sie mit sich bringt. Kannst du also überhaupt wirklich gut sein? Die Gruppe „The Good Place“ widmet sich auf der Konferenzwoche 2020 genau dieser Frage - mit Erfolg. Am Ende der KoWo bekommt sie den Salzkristall überreicht, die Auszeichnung für das kreativste Projekt der Woche. Die Lehramtsstudentin Maya und der Sozialpädagogikstudent Dominik berichten ein Jahr später von ihrer Idee. 

 

„Dominiks Pitch hat uns alle überzeugt“

Im Kontext des Seminars „Und weil sie nicht gestorben sind…: Geschichten der Nachhaltigkeit in Film, Literatur und Medien“ hatten Studierende selbstgewählte Medien auf Aspekte der Nachhaltigkeit untersucht. Insbesondere sollte sich auf die Sustainable Development Goals, die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, bezogen werden. Nach dem Input der Dozierenden pitchten alle Studierenden eigens gewählte Projektideen. Der Pitch über die Serie „The Good Place“, fand viel Anklang. „Dominiks Pitch hat uns alle überzeugt“, erzählt Maya. Schnell bildete sich daraus eine Seminargruppe aus Studierenden, die alle unterschiedlichen Studiengängen nachgehen. 

„Kann ein nachhaltiger Mensch auch ein moralisch guter Mensch sein?“, wiederholt Maya die zentrale Frage der Gruppenarbeit. Bevor die Gruppe sich auf die Suche nach der Antwort machte, musste vorab die Serie „The Good Place“ geschaut werden. Eine Serie, in der Menschen für gutes oder schlechtes Verhalten Plus- oder Minuspunkte bekommen. Das Resultat entscheidet dann darüber, ob sie in den „Good“ oder „Bad Place“ kommen. Filmwissenschaftlich arbeitete die Gruppe dann auf, in welchen Sequenzen sich die Nachhaltigkeitsziele wiederfinden. Die empirische Analyse habe einen Großteil ihrer Arbeit ausgemacht, berichtet Dominik. Das sei stressig, aber auch sehr produktiv gewesen. „Für die eigene Position in der Gruppe wurden vorher Persönlichkeitstests gemacht, durch die eingeschätzt wurde, wer sich wie in der Gruppe verhält“, erinnern sich Dominik und Maya an die Hilfestellung ihrer Dozierenden. 

Für ihre Präsentation beim Gallery Walk, bei dem ausgewählte Gruppen in einer Art Messe einen Stand bespielen dürfen, entschieden die Studierenden sich dafür, ein Kartenspiel zu entwickeln. Durch das Spiel konnte individuell herausgefunden werden, ob man „gut“ oder „schlecht“ ist. Sascha hatte dann die Idee, das Kartenspiel in eine App einzubetten, auf der die Nutzer:innen moralische Entscheidungen trafen. Maya beschreibt eine Frage, in der Konsumierende entscheiden mussten, welche Milch sie zum Backen kaufen würden. „Die H-Milch aus dem Supermarkt oder die vegane Mandelmilch?“ 

„Der Trick der App war, dass du immer im Bad Place gelandet bist. Egal, was du angeklickt hast“, erzählt Dominik. Er erklärt, dass es heute unmöglich sei, etwas ausschließlich Gutes zu tun. Entscheidungen seien global so miteinander vernetzt, dass es keine guten, sondern nur bessere Entscheidungen gebe. Das Optimum gibt es laut Maya nie. „Man kann nicht gut sein, man kann nur besser sein“, fasst Dominik die Ergebnisse der Gruppenarbeit zusammen. 

 

Die Gruppe bei ihrer Präsentation im Gallery Walk ©Privates Foto
Die Gruppe bei ihrer Präsentation im Gallery Walk

 

Eine ungewöhnliche Bewerbung

So besonders wie die Idee der Gruppe war auch ihr Bewerbungsprozess: „Plottwist, wir hatten gar keinen“, wirft Dominik ein. Erst bei der Präsentation auf der Konferenzwoche kam die Idee der Dozierenden, dass die Gruppe sich doch bewerben solle. Doch dafür war es eigentlich schon zu spät. Bis zur Abschlussveranstaltung war sich niemand sicher, ob die Prüfungskommission die Präsentation überhaupt gesehen hatte. Als bei der Abschlussveranstaltung dann die letzten Salzkristalle vergeben waren hat sich die Gruppe damit abgefunden, nicht gewonnen zu haben. Doch das änderte sich in dem Moment, als eine neue Kategorie eröffnet wurde.

 

„Wir waren alle total überfordert und überrascht. Damit hatten wir nicht gerechnet.“

Völlig perplex wurde die Gruppe, die zuvor noch in der vordersten Reihe saß, auf die Bühne gerufen. Im Bühnenlicht blickten sie in die Gesichter der über tausend Erstsemesterstudierenden im Auditorium. Wenn auch voller Freude, war der Moment auf der Bühne für Maya und Dominik zeitgleich ziemlich aufregend und überfordernd. Sie hatten zusätzliche Salzkristalle gewonnen, die normalerweise nicht verliehen werden. Die Jury war so begeistert von ihrer Idee, dass sie einen Sonderpreis vergab. Direkt nach der Siegerehrung ging es dann zu einem Zeitungsinterview, in dem über die Idee berichtet werden sollte. 


Und danach?

„Dann kam der Projektbericht“, erzählen die beiden. Mit der Präsentation auf Konferenzwoche war die Arbeit noch nicht beendet. In enger Zusammenarbeit musste die Gruppe zunächst ihren Projektbericht anfertigen. Von der Uni kam keine Rückmeldung mehr. „Konkret hat sich die Idee danach nicht weiterentwickelt, vor allem auch durch Corona“, sagt Maya. Sie könne sich vorstellen, ihre Idee später im Lehrkontext anzuwenden. Da die Gruppe gar nicht mit einer Teilnahme am Wettbewerb gerechnet habe, sei mit dem Gewinn ein Maximum an Emotionen hervorgerufen worden, so Dominik. Für die Zukunft wünschen sie sich vor allem, dass ihre Präsentation in den Köpfen der Zuschauenden bleibe und Denkanstöße mitgenommen werden konnten. 

Zurück ins Hier und Jetzt: Die diesjährigen Seminarplenen sind alle gehalten und die Spannung auf die Gewinner:innen steigt. Welche Ideen waren die innovativsten und konnten die Jury 2021 überzeugen? Maya und Dominik drücken allen diesjährigen Bewerber:innen die Daumen!