Warum nachhaltige Bauprojekte und gemeinschaftliches Wohnen die Zukunft sind
Ein Feature von Laura Ehlert
Selbstorganisierte Wohnprojekte, Ökodörfer und Mini Häuser sind eine Antwort auf das Bedürfnis nach alternativen Wohnformen. Eine gekonnte Baupolitik kann den Weg zu einer gemeinschaftlichen und nachhaltigen Stadt ebnen.
Kaffeeduft strömt aus der Küche, begleitet von Gesprächsfetzen. Aufgabenlisten hängen an einer Pinnwand im Flur. Im Garten spielen Kinder. Und irgendwo ertönt Jazz. Was wie eine Familienfeier wirkt, ist in Wahrheit Alltag in einem Wohnprojekt wie dem LeNa. Hier treffen täglich die unterschiedlichsten Menschen aufeinander.
Solche alternativen Wohnformen werden immer gefragter.
Durch ihre attraktive Lage in der Metropolregion Hamburgs sowie der Leuphana Universität erfährt Lüneburg einen stetigen Zuzug, der die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ansteigen lässt. Gleichzeitig steigt der Wunsch nach alternativen Wohnformen, denn der Baugrund ist endlich. Neue Alternativen müssen her. Wie reagiert Lüneburg auf diese Herausforderung?
Zukunftsstadt 2030+ unterstützt nachhaltigen und sozialen Wohnbau
Lüneburg soll bezahlbar werden. In vielen Neubaugebieten gibt es bereits geförderten Wohnraum, aber auch Bauten, die dank geringerer Baukosten eine niedrigere Miete ermöglichen. Deswegen unterstützt das Projekt Zukunftsstadt 2030+ einen nachhaltigen und sozialen Wohnbau. Doch woher kommt der Trend nach alternativen gemeinschaftlichen Wohnformen?
Gemeinschaftliches Wohnen ist kein neues Phänomen. Ihre moderne Idee reifte ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es gibt verschiedene Gründe, warum sich immer häufiger gegen ein konventionelles Einfamilienhaus entscheiden. Oft steht der Wunsch nach Gemeinschaft, gegenseitiger Unterstützung und einem nachhaltigen Lebensstil im Vordergrund. Wohnprojekte umfassen ein weites Spektrum, vom gemeinsamen Bauvorhaben bis hin zu ganzen Ökodörfern.
“Bei vielen Veranstaltungen kommen Ältere, 50- bis 60-Jährige. Die Kinder sind aus dem Haus, die Beziehung womöglich in die Brüche gegangen. Da wünschen sich viele wieder mehr Gemeinschaft, oder einfach Menschen, die im Alltag helfen können. Interessierte Familien sind wiederum häufig auf der Suche nach einem besseren Netzwerk und einer Art Verbindlichkeit in nachbarschaftlichen Beziehungen. Außerdem erhoffen sich viele Spielkamerad:innen für ihre Kinder”, berichtet Sara Reimann. Sie betreut das Wohnprojekte-Kontor, ein Projekt der Zukunfsstadt 2030+. Das Wohnprojekte-Kontor soll in erster Linie eine Anlaufstelle für Wohnprojekt Interessierte sein. „Bei Wohnprojekten ist die Chemie unter den Beteiligten am wichtigsten“, führt Susanne Puschmann an. Sie ist Ingenieurin und betreut ebenfalls das Kontor. Der Gruppenfindungsprozess ist das A und O bei selbstorganisierten Wohnprojekten. Deswegen bietet das Wohnprojekte-Kontor Beratungsangebote sowie einen monatlichen Stammtisch, bei denen sich Interessierte austauschen und Gleichgesinnte finden können. So ein Prozess kann mitunter Monate dauern. Für Studenten, die längerfristig außerhalb Lüneburgs leben möchten, sind Projekte wie Wohnen für Hilfe interessant.
Abreißen ist nicht immer die Lösung
„Wenn man die Immobilie so lässt, wie sie mal definiert war, dann ist das ein guter Beitrag zur Nachhaltigkeit“, so Jens Krassmann Geschäftsführer der AEONIS Gesellschaft für Immobiliendienstleistungen mbH. Für ihn ist das Motto Alles weg und alles neu, eben nicht mehr zeitgemäß. Jede Immobilie hat ihr eigenes Potential und viele können durch Renovierungen, An- oder Umbauten ihr Potential steigern. Abreißen stellt nicht immer die Lösung dar.
Ein anderer Ansatz für einen nachhaltigeren Wohnbau ist die Nachverdichtung. Im Sinne der Nachverdichtung können freiliegende Flächen innerhalb einer bestehenden Bebauung genutzt werden. Das sind zumeist Restgrundstücke oder Baulücken, die bei ungünstigen Schnitten entstanden und somit schwer zu bebauen sind. Deutschlandweit wird zunehmend Hinterlandbebauung betrieben. Hier entstehen in den Gärten von langen Grundstücken Häuser in 2. Reihe.
So oder so benötigt die Nachverdichtung kreative Planer.Hier kommen Modulbauten oder Mini-Häuser ins Spiel. Mini-Häusern geht es in der Regel um die Reduzierung auf das Wesentliche zugunsten finanzieller Freiheit und persönlicher Unabhängigkeit sowie um einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Eine Hürde für den Bau von Mini-Häusern oder Modulbauten bzw. Anbauten sind die rechtlichen Grundlagen. Bebauungspläne entscheiden darüber, welche Größe und Form das Objekt haben darf. Das lässt wenig Spielraum für neue Raumkonzepte.
Die größte Herausforderung stellt der aktuelle Diskurs rund ums Thema Wohnen dar. „Wir müssen freier darüber nachdenken und den Mut dazu haben, unsere Wohnsituation zu ändern, sobald sich unser Leben ändert“, so Krassmann. Der „man baut nur einmal im Leben“ Gedanke ist nach wie vor präsent, dabei ist es, viel nachhaltiger, Menschen dort wohnen zu lassen, für die das Objekt in ihrer derzeitigen Lebenssituation passend ist.
Angesichts des demographischen Wandels und anderer globaler Krisen müssen auch Wohnformen umgedacht werden. Wohnraum, der auf ein klassisches Familienmodell ausgelegt ist, ist nicht länger zeitgemäß. Gemeinschaft, Solidarität und Nachhaltigkeit sind Werte, die in der Baupolitik berücksichtigt werden müssen. Auch wenn Wohnformen momentan dem Markt unterliegen, so hat die (Bau-) Politik Interventionsmöglichkeiten. Sie kann aktuelle Probleme und Bedürfnisse wahrnehmen und die Realisierung von Wohnprojekten, Mini Häusern und anderen Wohnalternativen als Lösungsansatz durch gekonnte Stadtpolitik fördern. Schließlich ist Wohnen ein Thema was uns alle interessieren muss.
Weiterführende Links rund um alternatives Wohnen in Lüneburg:
www.mehr-leben-wohnprojekte.org