Die Festung Europas – Wie durch die europäische Einwanderungspolitik imaginäre Mauern aufgezogen werden
Ein Beitrag von Ardiana Dhomi
Menschenrechte, Grenzen und Migration – wie und warum werden Grenzen innerhalb Europas gesetzt, die die Menschenrechte bestimmter Nationalitäten verletzten und warum gelten sie für die einen, jedoch nicht für die anderen?

Es ist Freitagabend, der letzte Studio-Talk der Konferenzwoche zum Thema „New Deal – Green & Peaceful“ geht live. Zu Gast sind Gerald Knaus, Migrationsforscher und Politikberater, und Mattea Weihe, Seenotretterin bei Sea-Watch. Sie diskutieren Fragen wie diese: Wie gestalten wir eine humane Einwanderungspolitik? Welche Ziele müssen gesetzt und welche Akteure überzeugt werden?
Die tödlichste Grenze der Welt
Als die tödlichste Grenze der Welt beschreibt Gerald Knaus am Anfang des Talks die Europäische Grenze. Die Chance auf dem irregulären Weg hierhin zu sterben, sei so hoch wie sonst nirgendwo. Und das vor allem, weil an den Grenzen Europas das europäische Recht durch viele Länder gebrochen werde. Das Problem hierbei liege aber nicht an der Menschenrechtsverletzung selbst, sondern an unserem Wissen darüber und der fehlenden Handlungsbereitschaft dazu, Lösungen zu etablieren und durchzusetzen. Durch die Abschaffung der Abkommen von einzelnen Staaten, hat die Zahl der Einwanderer in die EU zwar abgenommen, jedoch stieg die Sterberate der Geflüchteten im Vergleich zu den vergangenen Jahren.
Auch der Ansatz, Menschenleben zu retten, indem mit bestimmten Ländern am Mittelmeer kooperiert wird und eine Versorgung sichergestellt wird, lässt sich Knaus zufolge nicht einfach in die Lösungssuche mit einbinden. Es reicht beispielsweise nicht aus, dass nur Deutschland darauf verzichtet, mit gewissen Staaten zu kooperieren und stattdessen die Seenotrettung fördert. Hierbei sei es notwendig, dass vor allem die am Mittelmeer gelegenen Staaten, über die die Flüchtlinge in die europäischen Länder kommen, sich dazu bereit erklären, nicht weiter mit Ländern, in denen Menschenrechtsverletzungen begangen werden, zu kooperieren.
Laut Weihe ist es viel wichtiger, sich um den Aspekt der Migration zu kümmern und wie die Geflüchteten sich in einem anderen Land ein neues Leben aufbauen können, anstatt sie von einem zum anderen Ort weiterzuschicken.
Viele Regierungschefs der einzelnen Nationen möchten demnach keine Wiederholung von 2016, jedoch seien sie selbst nicht dazu bereit, ihre Handlungsmöglichkeiten zu ändern und damit zu gewährleisten, dass Bürger:innen anderer Länder auf einem Weg, der ihnen nicht das Leben kosten könnte, zu ermöglichen.
Die Durchführung der Einwanderungspolitik der EU wirkt sich nicht nur innerhalb dieser aus, sondern geht auch weit über ihre Grenzen hinaus. Wenn schon die Europäische Union sich weigere, geflüchtete Menschen aus Krisengebieten aufzunehmen, sei es klar, dass es irgendwann dazu kommt, dass sich auch andere Staaten fragen, warum sie dies tun sollten.
„Wir dürfen bei Menschenrechten keine Kompromisse machen“
Mit diesem Statement stellt Mattea Weihe klar – die Menschenrechte gelten für jeden, egal ob Europäer, Afrikaner, Asiate oder Nord- und Südamerikaner. Auch Gerald Knaus unterstützt diese Meinung. Wie an den vergangenen Jahren und auch den neuesten Ereignissen zu erkennen ist, gilt dies aber nicht für jeden. Während der Diskussion wird mehrmals auf die jetzige Situation mit der Ukraine verwiesen und wie schnell die ukrainischen Bürger:innen Asyl von anderen Ländern gewährt bekommen. Hierbei stellt sich immer wieder die Frage, wie es denn sein könne, dass die europäischen Länder auf einmal Platz für diese Bürger:innen haben. Hier lässt sich ein Gefühl von Solidarität und Mitgefühl erkennen, aber warum gerade jetzt? Warum gerade bei einem europäischen Staat? Und was ist mit den Ländern, die seit Jahren an Krieg und dessen Folgen leiden?
Mit dem Appell: „Mutig sein und die eigenen Privilegien hinterfragen, wenn es um das Thema Flucht und Migration geht“, verabschiedeten sich die Moderatoren am Freitagabend des letzten Studio Talks der Konferenzwoche an ihre Zuschauer.
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