Der Planet Erde – Eigentum des Menschen?
Ein Beitrag von Anne Herwig
Passend zum Thema der Konferenzwoche gibt es ein Interview mit einer wahren Expertin im Bereich Nachhaltigkeit. Hierbei handelt es sich um die renommierte Expertin Esther Meyer. Sie ist nicht nur Lehrende an der Leuphana, sondern setzt sich mit der Organisation „Lighthouse Global“ auch aktiv für eine nachhaltigere Zukunft ein. Lighthouse Global ist eine gemeinnützige GmbH, die an Projekten arbeitet, die sich auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit spezialisieren.

Der Planet Mensch – ein Resultat unseres Systems?
Wir leben in einer Welt, die uns zu gehören scheint. Wir stehen morgens auf, fahren zur Arbeit, und sind froh, wenn wir nachmittags wieder zu Hause sind. Dann geht es zum Sport, zu Freund*innen oder einfach auf das Sofa. Ganz nebenbei werden Lebensmittel und Bekleidung eingekauft oder Urlaube gebucht. All dies funktioniert einfach so - auf einem Planeten, der uns zu gehören scheint.
Yuval Noah Harari, ein israelischer Historiker, hebt eine ganz andere Rolle des Menschen hervor. Vor langer Zeit war der Mensch ein kleiner Bestandteil der Erde. Seine Bedeutsamkeit ragte über keine andere Art im Tierreich hinaus. Wie entstand also der Umbruch, der den Menschen zu einem herrschenden Wesen machte?
Das, was den Menschen so unantastbar macht, ist laut Harari eine besonders ausgeprägte Form der Kooperation. Menschen seien dazu in der Lage, flexibel und in großen Massen zusammenzuarbeiten, ohne jedes einzelne Kooperationsmitglied persönlich zu kennen. Grundlage hierfür seien Fiktionen in nahezu allen Lebensbereichen des Menschen. Die Politik und Ökonomie würden auf solchen Fiktionen basieren. Die Menschenrechte, der Wert des Geldes oder die marktführenden Unternehmen – nichts hiervon sei biologisch begründet oder als reales Objekt erfassbar. Das resultierende Maß an Kooperation gelänge keiner anderen lebendigen Art und bilde die Basis für das menschliche System. Ein System, das den Menschen als übermächtig repräsentiert. Dass Macht allerdings nicht immer mit Glück gleichzusetzen ist, zeige sich durch unterschiedliche Einschnitte in die Geschichte der Menschheit. Sklaverei, Konzentrationslager und Kriege seien dabei nur wenige Beispiele.
Vom Landbesitz zum Menschenhandel
Die deutsche Philosophin Eva von Redecker findet mit ihrem Konzept zur Konstruktion von Eigentum einen möglichen Erklärungsansatz für Aussetzer des Systems. Etwas zu besitzen heißt laut Redecker, die komplette Kontrolle über das Eigentum zu haben. Hierdurch würden unterschiedliche Prozesse, wie das Handeln, Verkaufen oder Zerstören, von Besitzgütern ermöglicht. Das Wort Eigentum umschließe dabei zunächst die ganz offensichtlichen Aspekte: Land, Häuser, Autos, Kleidung. Doch auch der Mensch, besitze zunächst sich selbst.
Ein jeder Mensch habe damit scheinbar die Kontrolle über seinen Körper, seine Wünsche und sein Leben. Mit der Kolonialisierung begann die Menschheit damit, so Redecker, zunächst den Besitzstatus von Ländereien zu verändern. Gebiete wurden eingenommen und schnell kam der Gedanke auf, nicht jedem Individuum den vollen Besitz über sich selbst zuzusprechen. Die Hautfarbe, das Geschlecht oder das Vermögen eines Menschen galten dabei häufig als Indiz dafür, ob ein Mensch als fähig erschien, sich selbst zu kontrollieren, erklärt Redecker. Die Folgen dieser Gedankengänge seien bis heute in tiefgreifenden Strukturen sichtbar – Rassismus, ökonomische Ungleichheit und die Unterdrückung von Frauen seien in vielen Teilen des menschlichen Systems ein fester Bestandteil.
Das System Mensch stoße an Grenzen, die einem neutralen Beobachter als unmenschlich erscheinen mögen. Dennoch wurde bis heute an den Lebensformen wenig verändert, erklärt Redecker. Es ginge stets darum größer, mächtiger und allumfassender zu handeln. Die Erde sei dabei der Ort zur Ausführung des Systems – und durch schwere Klimaeinflüsse leide auch sie.
Ein Blick in die Zukunft
Friederike Habermann, eine deutsche Volkswirtin und Historikerin, bemühte sich darin, ein anderes Verständnis von Eigentum zu vermitteln. Der Fokus liege hierbei darauf, den Wettbewerb zu regulieren und die Menschheit von äquivalenten Tauschvorgängen zu befreien. Nur durch weniger Produktion, einem abnehmenden Preiskampf und der Verhinderung von Ausbeutung könne dies wirkungsvolle Folgen für die Menschheit und die Natur mit sich ziehen. Bringt man die Ideen der Gäste zusammen, ergibt sich folgendes Fazit: die Erde gehört uns nicht. Viele menschliche Handlungen führen zu dramatischen Folgen auf ökologischer und ökonomischer Ebene. Nicht abzustreiten bleibt dennoch, dass wir, durch eine ausgeprägte Kooperationsfähigkeit, anderen Lebewesen überlegen sind. Entscheidend ist und bleibt hierbei, ob diese Überlegenheit verantwortungsvoll genutzt wird.
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