Rudiretro: ein Ausweg aus der Fast-Fashion?
Ein Selbstversuch von Emma Eichblatt
Kleidung auszuleihen statt sie immer wieder neu zu kaufen: Was sich zunächst absurd anhört ist das Geschäftsmodell von rudiretro, um die rasanten Folgen der Fast-Fashion-Industrie aufzuhalten. Kann das funktionieren?

Der Kleiderschrank quillt über. Der Überblick fehlt hier schon lange und eigentlich trage ich sowieso nur das zuletzt Gekaufte. Fast-Fashion. Für mich war das immer etwas, womit Andere zu tun haben, die viel zu günstige Kleidung kaufen und ständig die neueste Kollektion der angesagten Modegeschäfte besitzen. Doch immer öfter wird mir klar, dass das nicht die Anderen sind, die Fast Fashion umsetzen, sondern dass ich selber Teil des Problems bin, der überquellende Kleiderschrank als Sinnbild dafür. Aber was kann ich dagegen tun? Wie kann ich den Spaß an Mode behalten, ohne permanent Neues zu kaufen und somit meinen Beitrag zum Erfolg der Fast-Fashion-Industrie zu leisten?
Leihen statt kaufen - das Konzept der Zukunft?
Eine Antwort auf diese Frage liefert der Vintage-Laden rudiretro in der Lüneburger Altstadt. Das oberste Ziel des Teams: den Spaß an nachhaltiger Mode vermitteln und zeigen, dass auch bereits Getragenes immer noch schick sein kann, wenn man es auf neue Weise trägt. Neben dem klassischen Verkauf von Secondhand-Mode, gibt es bei rudiretro das Konzept der rudiretro-Mitgliedschaft.
Diese bietet die Möglichkeit, sich je nach Art der Mitgliedschaft zwischen zwei und vier Kleidungsstücke gleichzeitig auszuleihen und diese für eine beliebige Zeit zu behalten. Welche Art von Kleidung man sich aussucht, ist hierbei egal, jedes Regal im Geschäft kann durchgestöbert werden.
Sollte einem eines der Teile im Nachhinein doch nicht so sehr gefallen wie anfangs gedacht, hat man stets die Möglichkeit es bei rudiretro umzutauschen und sich etwas Anderes als Alternative auszusuchen. Die Mitgliedschaft bei rudiretro kostet im Monat zwischen 2 und 15 Euro, je nachdem, für welches Paket man sich im Vorhinein entscheidet.

rudiretro: Abwechslung und frischer Wind im Kleiderschrank
Das Leihprinzip soll Abwechslung im Kleiderschrank bieten, ohne dass dafür immer wieder neue Produkte gekauft werden müssen. Darüber hinaus werden Fehlkäufe minimiert, durch die deutlich längere Bedenkzeit, die man durch das Leihen hat.
Um herauszufinden, ob die Praxis all diesen Ideen entspricht, habe ich das rudiretro-Konzept selbst einmal ausprobiert. Schon beim Betreten des Geschäfts wird einem ein geborgenes Gefühl vermittelt und man fühlt sich dazu eingeladen, in Ruhe zu stöbern oder Fragen zu stellen. Die Einrichtung und Beleuchtung im Geschäft erzeugen eine Wohnzimmer-Atmosphäre und es wirkt fast so, als würde man sich in einer benachbarten WG befinden und dort durch die verschiedenen Kleidungsstücke stöbern und nicht in einem Geschäft in der Lüneburger Innenstadt.
Die Mitarbeiterin des Ladens, Jolanthe Stürmer, bietet ihre Unterstützung an und steht zur Beratung sowie für jegliche Fragen meinerseits zur Entstehung von rudiretro zur Verfügung. Aber auch über diesen Aspekt hinaus steht sie mir zur Seite und unterstützt mich aus modischer Sicht, sodass ich mich gut und ehrlich beraten fühle. Durch den offenen Umgang und das Interesse am Umweltschutz, welches das Team von rudiretro ausstrahlt, wirkt es so, als würden sie selber diesen Ansatz leben und ihn weitergeben wollen.
Rudiretro bietet eine vielfältige Auswahl an Kleidungsstücken, welche alle als Einzelstücke zur Verfügung stehen. Das finde ich einerseits toll, da es mir das Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu tragen, das nicht von der Stange ist. Auf der anderen Seite muss ich dadurch aber auch einige schöne Teile schweren Herzens wieder weghängen, da sie nicht in meiner Größe zur Verfügung stehen. Letztendlich finde ich aber einige tolle Kleidungsstücke, die ich mir ausleihen möchte, um sie in der nächsten Zeit zu tragen. Ich schließe nun meinen Vertrag ab, mit dem ich mich zu der monatlichen Zahlung verpflichte. Im Anschluss erhalte ich meine eigene Mitgliedskarte von rudiretro.
Ich bin überrascht von dem unkomplizierten Ablauf, der nicht mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein klassischer Kaufvorgang. Sollte ich mich im Nachhinein doch noch dazu entscheiden, etwas zu kaufen oder eines der Teile im Nachgang zu erwerben, erhalte ich durch meine Mitgliedschaft einen zusätzlichen Rabatt. Trotzdem fällt auf: Eine gewisse Portion Glück gehört hier einfach dazu. Ich kann mir gut vorstellen, dass man auch mal Pech haben kann und nichts oder nur wenig findet, was einem gefällt und passt. Eventuell müsste man also häufiger vorbeischauen, um etwas Passendes zu finden.
Abfälle vermeiden zur Unterstützung des Green New Deals
Green New Deal ist das Thema der diesjährigen Konferenzwoche. Dieser hat als oberstes Ziel, einen wesentlichen Beitrag gegen die rasanten Entwicklungen des Klimawandels zu leisten. Dazu gehört auch eine bewusste Ressourcennutzung. Das Leihkonzept von rudiretro setzt genau dort an, da der immense Abfall der Fast-Fashion-Industrie durch das Ausleihen zu einem Großteil minimiert werden kann. Zusätzlich kann man sich selber durch die immer wieder wechselnden und gleichzeitig nachhaltigen Kleidungsstücke im Schrank etwas Gutes tun und es wird schnell klar, dass nachhaltiges Kleiden definitiv viel Spaß machen kann.
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