Wie gehen Journalist*innen mit schlimmen Nachrichten um?
Ein Bericht von Mila Schachtschneider
Der Krieg in der Ukraine, viele Flüchtlinge und Atomwaffen. Viele Journalist*innen müssen sich tagtäglich mit Themen wie Krieg intensiv auseinandersetzen. Doch wie gehen sie damit um? Diese und weitere spannende Fragen haben am Mittwoch vier Journalist*innen auf der Konferenzwoche beantwortet.

Vier Fragen, vier Journalist*innen. Die Leuphana Universität Lüneburg hatte während der Konferenzwoche 2022 vier Journalist*innen zu Gast, die von der Lehrbeauftragten Marie-Luise Braun zum Spannungsfeld von Wissenschaft und Journalismus interviewt wurden: die Redakteurin der Sendung "Extra 3" vom NDR, Jasmin Wenkemann, die Wissenschafts- und Datenjournalistin Elena Erdmann von "Zeit Online", der Radio- und Videojournalist Daniel Donschen und der Jurist und Journalist Felix W. Zimmermann.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Russland Krieges wurde die folgende erste Frage an die vier Journalist*innen gerichtet:
Wie geht ihr mit schlimmen Nachrichten um?
Auf diese Frage antwortete David Donschen mit der Anekdote, wie er während seines Skiurlaubs vom Kriegsbeginn in der Ukraine überrascht worden war, woraufhin er mit einem Fiebertraum zu kämpfen hatte. Das Fazit dieser Geschichte ist: Auch, wenn es wichtig ist, einen gewissen Abstand zu den Geschehnissen zu wahren, muss man auch einfach mal die Emotionen zulassen, die einen ab und zu überrumpeln. Er persönlich habe sich dennoch ein Limit an Social-Media-Zeit eingerichtet, sodass Apps wie Instagram, ihn daran erinnern, die Zeit nicht zu überziehen. Auch mal etwas anderes gucken oder andere Podcasts zu hören, die nicht über die schlimmen Dinge unserer Zeit berichten, sei für ihn ebenfalls sinnvoll. Außerdem helfe es ihm, mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu sein. Somit könne er die Situationen besser einschätzen.
Elena Erdmann berichtete, wie sie mit den Nachrichten umgeht: „Ich habe ein Diensthandy.“ Es helfe ihr, Privates von der Realität da draußen zu trennen. Sie erzählte ebenfalls, dass sie sich zwei Stunden vor dem Einschlafen nicht mehr mit den Nachrichten auseinandersetzt. Elena Erdmann und Jasmin Wenkemann waren sich beide mit einem Lächeln auf den Lippen einig: Ab und zu kann auch mal ein kleines Bierchen oder ein Gläschen Wein hilfreich sein.
Sind neutrale Berichterstattungen möglich?
Felix Zimmermann beantwortete diese Frage klar mit einem „Nein“. Er sei letzten Abend sehr verwundert darüber gewesen, wie derart neutral die Nachrichten zu dem Ukraine- Konflikt geschildert worden wären. Es sei so gleichberechtigt dargestellt worden, dass es fast schon wieder nicht neutral sei. Zimmermanns Fazit lautete: „Wenn etwas nicht neutral ist, kann man es nicht neutral erfassen.“ Elena Erdmann fügte hinzu, man könne durchaus versuchen, neutral zu sein, allerdings gehe man immer mit einer eigenen Einstellung in ein Thema hinein. Man solle versuchen, sich der Wahrheit anzunähern, aber komplett sei es nicht möglich. David Dorschen meinte: „Wir sind keine Roboter“. Ein größerer Pluralismus in der Redaktion könne dazu führen, dass Nachrichten neutraler dargestellt werden. Allerdings müsse es diesen Pluralismus erst einmal geben. Interviewerin Marie-Luise Braun ergänzte die Aussagen der Journalist*innen damit, dass die Themenauswahl allein schon nicht neutral sei.
Sind Journalisten auch Aktivisten?
Elena Erdmann erzählte, sie bekäme oft den Vorwurf, eine Aktivistin zu sein, allerdings sei sie das nicht. Sie gäbe sich extra Mühe, den Leser*innen nicht das Gefühl zu geben, sie bekämen etwas übergestülpt. Außerdem wolle sie ihre journalistische Glaubwürdigkeit nicht gefährden. Jasmin Wenkemann, die Redakteurin der Satiresendung "Extra 3", fügte hinzu: „Zuschauer*innen mögen es nicht, wenn nur sie kritisiert werden.“ Aus eigener Erfahrung wisse sie, dass die Sendungen, bei denen den Zuschauer*innen ein Spiegel vorgehalten wird, nicht so gut ankommen. Satire sei wie eine Kindershow für Erwachsene. Alles würde heruntergebrochen und so dargestellt werden, dass jeder es verstehe und es niemanden zu sehr persönlich angreife.
Sollten Themen wie Nachhaltigkeit ein extra Format bekommen?
David Donschen verneinte die letzte Frage. Nachhaltigkeit solle nicht als ein eigenes Thema betrachtet werden, es solle vielmehr in die Medien integriert werden, indem Nachhaltigkeit mitgedacht werde. Ein Special Interest solle es nicht sein, das sieht Felix Zimmermann genauso. Dorschen ergänzte, die Themen beziehungsweise die Fakten sollen in ein Storytelling eingebunden sein und durch emotionale Erzählungen vermittelt werden. Er ist der Meinung: „Durch Storytelling hören die Leute zu“. Es sei kein Zufall, dass sich auf der einen Seite die meisten Deutschen mit dem derzeitigen Ukraine-Krieg sehr viel auseinandersetzen und auf der anderen Seite 30 Prozent immer noch anzweifeln, dass es Corona gäbe.
Marie-Luise Braun wünschte sich manchmal allerdings kürzere Stories und härtere Fakten. Sie denkt die Mischung aus beidem wäre gut.
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