Nachhaltige Stadtentwicklung oder Greenwashing? - Die Smart City Wilhelmsburg

Ein Kommentar von Teresa Ulbrich

Effizientere Energienutzung in Wohnhäusern? Klingt im ersten Moment nach einem klimafreundlichen Modell. Oder handelt es sich hierbei nur um Greenwashing, damit ein Unternehmen seine Ideen verkaufen kann? In Hamburg-Wilhelmsburg zeigt sich, was eine nachhaltige Stadtentwicklung für den Alltag der Bewohner:innen bedeuten kann.

Baumhaus ©Teresa Ulbrich
Baumhaus der Initiative Waldretter, die sich für den Erhalt des Waldes in Wilhelmsburg einsetzt.

Die Stadtplanung muss in der heutigen Zeit vielen Anforderungen, wie dem Bevölkerungszuwachs und dem gleichzeitig steigenden Bedürfnis nach Klimaschutz gerecht werden. Hinter Projekten, die daraus entstehen, stecken dann zumeist Unternehmen, die eine Strategie verfolgen. In Hamburg ist das zum Beispiel die IBA GmbH. Sie ist eine städtische Entwicklungsgesellschaft, die im Auftrag der Freien und Hansestadt nachhaltige Quartiere entwickelt. Seit 2006 liegt ihr Fokus auf dem Stadtteil Wilhelmsburg in Hamburg. Ihre Aufgabe besteht zunächst darin, Gelder zu akquirieren. Außerdem koordiniert sie die Planung, übernimmt die Verantwortung im Bau und orientiert sich bei Ideen am übergeordneten Ziel, nicht an Einzelinteressen der Bürger:innen. Dies erleichtert es dem Unternehmen, die gesetzten Ziele umzusetzen.
 

Was ist das Ziel der IBA?

In der Wilhelmsburger Smart City ist das die Energieeffizienz. Vor allem die Nutzung von Wind, Sonne, Biomasse und Geothermie soll verbessert werden. Bis Ende 2020 soll energetisch optimiert und mehrgeschossig gebaut werden. Das trägt laut IBA zur CO2-neutralen Strom-Selbstversorgung in Wilhelmsburg bei. Im Jahr 2025 soll die Hälfte des gesamten Energiebedarfs aus regenerativen Quellen gedeckt werden. Bis 2040 soll Wilhelmsburg klimaneutral werden. Zudem sollen Erzeuger in effizienteren Austausch mit Haushalten treten, um das System bedarfsorientiert auszulasten. Teilweise berichten Bewohner:innen sogar jetzt schon von rückläufigem Stromverbrauch in den Wohnhäusern und davon, dass die überschüssige Energie an das Stromnetz der Stadt zurückgegeben werde. Neben dem Energiekonzept soll auch die Infrastruktur gestärkt werden.

 

Ist die Smart City automatisch eine nachhaltigere?

Die Stadt Hamburg wird laut IBA beim Thema Energiewende Dank des Projekts weit nach vorne gebracht. Doch sie muss sich zunehmender Kritik von Wilhelmsburger:innen stellen. Seit Beginn der Baumaßnahmen im Jahr 2013 verliert der Stadtteil stetig sein Grün. Vor allem die Flächen, die nicht industriell oder landwirtschaftlich genutzt werden, sollen künftig entgrünt werden. Ein Wald, der sich von Dove Elbe bis nach Wilhelmsburg erstreckt, soll Straßengrün sowie Nahverdichtung von Wohnungen weichen. Der Ausgleich für die gefällten Bäume soll in Niedersachsen im 2:1 Verhältnis stattfinden. Deshalb werden nun Bäume in Hamburg gefällt, die zu einem guten Stadtklima beitragen und Wilhelmsburg zu einem Naherholungsgebiet machen. Anstatt Hamburg an einer anderen Stelle, Bäume zurückzugeben, werden sie außerhalb der Stadt gepflanzt, wo sie dem Mikroklima in der Stadt möglicherweise nicht nützlich sind. Um den Biodiversitätsschwund zu verhindern und den Wald zu erhalten, gibt es allerdings ein Widerspruchsverfahren auf Wunsch der Bürger:innen sowie der Initiative Waldretter, die vom NABU unterstützt wird. Der Wunsch wird in den Entwürfen hingegen nicht berücksichtigt. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte sieht das Vorhaben ebenso nicht in Gefahr.

 

Gentrifizierung oder Vorbereitung auf den Bevölkerungszuwachs?

Sollte sich das Widerspruchsverfahren als erfolglos erweisen, wird Wilhelmsburg also bald neue Bewohner:innen bekommen - allerdings nur solche, die sich die erwartungsgemäß teureren Mieten auch leisten können. Wilhelmsburg verzeichnete im Zeitraum von 2007 bis 2017 einen Mietenanstieg von 62 Prozent pro Quadratmeter. Zufälligerweise genau ein Jahr nachdem die IBA den Stadtteil 2006 zum Projekt machte. 

Neben den Neubauten sollen auch bestehende Wohnungen saniert werden. Diese stehen derzeit in Eigenverantwortung der Wohnungseigentümer:innen. Allerdings stellen sie nicht unbedingt eine finanzielle Priorität dar. Denn der Stadtteil hat derzeit ein geringes Einkommensniveau. Weiter ansteigende Mieten könnten also ein Nachteil der Energiewende auch in den bestehenden Wohnungen sein. Möglicherweise können es sich Wilhelmsburger:innen dann nicht mehr leisten, ihren Stadtteil zu bewohnen.

Wird also nur viel Geld investiert, um noch mehr Geld zu generieren? Teilweise wirkt das Vorhaben der IBA wie ein Gentrifizierungsprozess, der unter dem Deckmantel von Klimaschutz stattfindet. Dass nicht immer alles im individuellen Einzelinteresse passieren kann ist klar. Aber dass sich über viele Menschen hinweggesetzt wird, erweckt den Anschein, es handle sich um Greenwashing eines ganzen Stadtteils.

Wer mehr zu einer ähnlichen Kontroverse in Hamburg erfahren möchte, kann sich den Artikel zur sternbrücke durchlesen.