Smart, smarter, Wien

Ein Interview von Marie Arens

Wien ist eine Stadt voller Gegensätze. Die Straßen sind voll mit Pferdekutschen und alten Gebäuden, doch gleichzeitig ist Wien die Stadt mit der höchsten Lebensqualität und derzeitiger Vorreiter der Smart Cities weltweit.

Wiener Hofburg ©Marie Arens
Wiener Hofburg

Historische Gebäude und Schlösser, moderne Hochhäuser und bunte Straßen. Das Jahresabo für Bus und Bahn kostet 365€. Es gibt Restaurants für alle Ernährungs- und Lebensweisen, Fiaker und kulturelle Vielfalt. Die Stadt Wien wurde 2019 zum zehnten Mal in Folge zur Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität gekürt. Jetzt möchte Wien auch die Digitalisierungshauptstadt Europas werden. 

Im Zentrum der Wiener Strategie stehen die drei Säulen Lebensqualität, Ressourcenschonung und Innovation. Zahlreiche Projekte werden in Wien bereits umgesetzt. So gibt es etwa Ampeln, die automatisch erkennen, wenn jemand die Straße überqueren möchte. Für die Wiener Linien, dem Öffentlichen Nahverkehrsbund der Stadt, sind seit Herbst 2020 414 umweltfreundliche Euro-6-Busse und 12 E-Busse auf den Straßen der Stadt unterwegs. Die Stadt setzt auf ökologische Gebäudesanierung, dem Ausbau von Photovoltaikanlagen und hat als Ziel, die lokalen Treibhausgasemissionen pro Kopf bis 2050 um 85% zu senken. Eine Möglichkeit der Partizipation ist die App „Sags Wien“. Dort können Bewohner:innen Störungen, Gefahrenstellen und Probleme direkt an die Stadt melden. In den Schulen wird immer mehr auf digitale Lehre umgestellt und auch Senior:innen werden in die moderne Welt der Digitalisierung eingebunden. Die Liste der bereits umgesetzten Projekte ist lang und Wien anderen Städten weit voraus. 

Weshalb gerade die österreichische Hauptstadt so fortschrittlich ist, wie sich die Zusammenarbeit mit der Politik gestaltet und wie Bürger:innen bereits miteinbezogen werden, erklärt Florian Woller im Interview.  

 

Florian Woller ©Urban Innovation Vienna (https://we.tl/t-BeJkNlcwWb)
Florian Woller

Zur Person: Florian Woller ist Angestellter bei der Urban Innovation Vienna und hat Umwelt und Nachhaltigkeitsmanagement studiert und absolviert derzeit neben seiner Tätigkeit in der Firma ein Studium zur Raumplanung. Die Urban Innovation Vienna ist das Kompetenzzentrum der Stadt Wien und für die Umsetzung der Smart City Rahmenstrategie verantwortlich. 

Florian Wollers Aufgaben bei der Urban Innovation Vienna sind in erster Linie das Stakeholder Management und Kommunikation.  

 

Auf dem Roland Berger Smart City Index befand sich die Stadt Wien bereits zweimal auf dem ersten Platz. Was ist Ihrer Meinung nach der entscheidende Faktor, der Wien derzeit zur Vorreiterstadt der Smart Cities in der Welt macht? 

Florian Woller: Soweit ich weiß, wurde Wien aufgrund der Ganzheitlichkeit auf den ersten Platz gesetzt. Was die Smart City Wien speziell ausmacht ist, dass es sich um eine gemeinsame Strategie handelt. Es werden sehr viele unterschiedliche Themen behandelt und es stehen sehr viele Leute dahinter. Das Projekt ist nicht bei einer speziellen Abteilung der Stadt angesiedelt, sondern es gibt sehr viele verschiedene Akteur:innen. Was auch sehr speziell ist, ist dass die Smart City Wien im Wiener Kontext, beziehungsweise im europäischen Kontext nicht nur mit Digitalisierung verbunden wird, sondern beispielsweise auch mit sozialen Innovationen.

 

Es handelt sich also um ein gemeinsames Projekt mit der Stadt Wien? Wie gestaltet sich im Konkreten die Zusammenarbeit mit der Politik?

Woller: Genau es ist ein gemeinsames Projekt und die Verwaltung steht genauso dahinter wie die Politik. Wenn man die Smart City-Rahmenstrategie in der Stadt umsetzen will reicht Verwaltung alleine nicht aus. Man braucht die Politik und dann stehen natürlich auch politische Interessen dahinter. Es kann dann passieren, dass gewisse Sachen auf Wunsch von den regierenden Parteien eben stärker oder weniger stark vorangetrieben werden. Natürlich gibt es einen gewissen Fokus, aber prinzipiell denke ich, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Bei so vielen Menschen, die an dem Projekt mitarbeiten gibt es auch unterschiedliche Meinungen. Unsere Aufgabe ist es deshalb unter anderem, zwischen den unterschiedlichen Meinungen zu vermitteln und Kompromisse zu finden, wie man gemeinsam zur besten Lösung kommt und hoffentlich zur Erreichung der Ziele dieser Strategie. 

 

Inwiefern werden denn bei dieser gemeinsamen Strategie bereits Bewohner:innen in die Umsetzung miteinbezogen? 

Woller: Gesamtstädtisch ist es natürlich schwierig bei einer Großstadt wie Wien die Frage in den Raum zustellen „Wohin soll sich Wien entwickeln?“- Das ist zu unspezifisch. Da ist natürlich Bürger:innen-Partizipation schwierig. Es gab Beteiligungsformate für die Erstellung der Strategie in Form von Umfragen aber unsere Erkenntnis ist, dass eh nur Leute mitmachen, die sich in dem Bereich auskennen. Es ist schwer, die breite Masse mit solchen strategischen Themen zu erreichen. Es gibt aber auf der anderen Seite sehr viele Projekte im kleinen Format, die dazu beitragen, dass die Smart City Wien Wirklichkeit wird wie zum Beispiel das Projekt „PlaceCity Florisdorf“. Die Bewohner: innen des Stadtteils Florisdorf können sich hier aktiv in die Gestaltung und Nutzung von öffentlichen Räumen einbringen.

 

„Es ist schwer heute eine Strategie zu formulieren, die 30 Jahre lang hält.“

 

Wir befinden uns momentan alle in einer schwierigen Situation und müssen uns Herausforderungen stellen. Worin liegt denn derzeit die größte Herausforderung in der Smart City Wien? 

Woller: Eine sehr große Herausforderung, die uns jetzt bewusst geworden ist, ist das solche Prozesse nicht so gut geplant werden können, wie man sich das wünscht. Die Smart City Rahmenstrategie ist 2019 rausgekommen und dementsprechend hat man überhaupt noch keinen Bezug genommen zu „Was passiert eigentlich, wenn eine Pandemie ausbricht?“. Das heißt die Umstände ändern sich einfach so schnell, ob es jetzt Digitalisierung ist oder eine Pandemie. Es ist schwer heute eine Strategie zu formulieren, die 30 Jahre lang hält, weil sich die Umstände, Voraussetzungen und auch Herausforderungen ändern werden. Die Herausforderung an die Strategie ist, mit der Zeit mitzugehen und sich dementsprechend anzupassen. Das heißt es wird ganz sicher früher oder später wieder eine Überarbeitung geben. 

 

So viel zu Wien. Wer gerne mehr über Smart City Projekte in Deutschland lesen möchte kann gerne in Julius Artikel “Digitale Transformation und Smart City Projekte in Deutschland- ein kurzer Fortschrittsbericht.” nachlesen.