Ethik im Gespräch: Aussteigen, einsparen, fairteilen?!

Ethische Etappen der Energiewende

05.07.2022 „Der Raum der Stille“, merkte der Unipräsident Prof. Dr. Sascha Spoun in seiner Begrüßungsrede an, „ist ein Raum für Grundsätzliche.“ Es ist ein Ort in der Uni für interreligiösen Dialog, ökumenisch geteilte Spiritualität, kurz: Multiperspektivität. Hier fand am Mittwoch die Podiumsdiskussion „Aussteigen, einsparen, fairteilen?! Ethische Etappen der Energiewende" statt. Bei der neusten Ausgabe der Diskussionsreihe „Ethik im Gespräch" ging es um die drängende Frage, wie man die Energieversorgung in Zeiten des Ukrainekrieges aufrechterhalten könne, ohne dabei ethische Prinzipien aufgeben zu müssen. Vorweg sei verraten: das Problem konnte an diesem Nachmittag nicht ausgeräumt werden. Das war allerdings auch nicht der Anspruch. Einen Umgang ermöglichte das bisweilen lebhafte Gespräch allemal.

Podiumsdiskussion "Ethik im Gespräch" im Raum der Stille ©Leuphana
„Der Raum der Stille“, merkte der Unipräsident Prof. Dr. Sascha Spoun in seiner Begrüßungsrede an, „ist ein Raum für Grundsätzliches.“ Hier fand am Mittwoch die Podiumsdiskussion „Aussteigen, einsparen, fairteilen?! Ethische Etappen der Energiewende" statt.

Moderiert wurde die Veranstaltung von PD Dr. Thomas Kück vom Institut für Ethik und Theologie. Er diskutierte mit Ralf Meister, Bischof der evangelischen Landeskirche, Maschinenbau-Ingenieur Prof. Dr. Felix Kruse (HAW), Prof. Dr. Hannah Trittin, Wirtschaftsethikerin an der Leuphana und mit der Bachelor-Studentin Simone Pankofer. Letztere plädierte zu Beginn der Diskussion für ein „Gleichgewicht zwischen Ökologie und Ökonomie“ und benannte damit sogleich das grundlegende Spannungsfeld in der Frage nach einer Ethik von Energieversorgung. „Wer soll das bezahlen?“, fragte Felix Kruse und rechnete der Runde die Machbarkeiten vor: In Deutschland gäbe es übers Jahr zu wenig Sonnenstunden für Solarenergie. Man müsse in Afrika (2000 Sonnenstunden im Jahr) investieren. Das könne obendrein eine „Win-Win-Situation“ herstellen und Probleme globaler Gerechtigkeit in Angriff nehmen. Natürlich müsse man so schnell es geht auf die erneuerbaren Energien setzten. Das habe man aber bisher zu wenig getan.

Auf die Frage hin, wie man als geringverdienender Haushalt noch 1000 bis 2000 Euro für die Gasnachzahlung zurücklegen könne, bemerkte Hannah Trittin: "Fairness bleibt da auf der Strecke.“ Man müsse die Schwächsten schützen, fügte sie hinzu. Doch es ginge darum, die Probleme klar zu benennen, nämlich: Wo liegen die Grenzen der Machbarkeiten? Was ist unentbehrlich? Wer trägt die Verantwortung? Trittin sagte, man müsse eben neue Technologien zur Lösung der Energiekrise erfinden, worauf Kruse entgegnete: „Wir müssen nichts mehr erfinden. Wir haben das alles schon.“ Vieles ist also schon machbar. Kück zitierte dazu Luisa Neubauer: „Nur weil die Richtigen regieren, heißt es nicht, dass wir richtig regiert werden.“ Es sei viel mehr eine Frage des politischen Willens und der Organisation und eine Frage der Teilhabe und Gerechtigkeit: Die Wortschöpfung „Fairteilung“ deutet bereits an. Zu klären sei, wer was zahlen muss, wer welche Verantwortung trägt.Der Bischof plädierte in Sachen Verantwortung für ein wertschätzendes Verhältnis zur Natur: "Wir müssen die Schöpfung als die Grundlage unseres Seins begreifen." Natürlich brauchen wir die regenativen Energien, damit wir unsere ureigene Lebensgrundlage nicht zerstören.

Kück wies darauf hin, wir könnten das „Dilemma“ nicht lösen: Im Winter frieren, das ginge halt nicht, weil dann das Land schwer regierbar sei, und die Kohlekraft weiter nutzen, weil kein Gas mehr aus Russland kommt, heize das Klima weiter an. Meister hielt dem entgegen: "Entschuldigen Sie, die Behauptung, das geht nicht, diskreditiert alle Menschen auf diesem Planeten, die in Entbehrung leben oder gelebt haben, einschließlich unserer eigenen Großeltern." Meister plädierte so für Weitsicht und einen temporären Verzicht. Möglich sei dieser allemal. Dem Bischof ging es darum, Hoffnung zu stiften. Aus dem Publikum kam der Einwand, dass es speziell für die jetzige Generation keinen Grund für Optimismus gäbe. Meister antwortete, er könne das komplett verstehen: „Doch führt nicht gerade die Einsicht in die Ausweglosigkeit … zur Bewegung?"